Persönlichkeitsprofile, Führungskräfte-Entwicklung, Team-Entwicklung
Persönlichkeitsprofile können Konflikte in Teams helfen aufzulösen © fizkes/shutterstock.com

Ich gelb, Du blau – das geht ja gar nicht…oder doch? Persönlichkeitsprofile in der Führungskräfte- und Teamentwicklung

Ich gebe es zu. Lange Zeit war ich kein Freund von Persönlichkeitsprofilen. Zu sehr Schublade, zu wenig Individualität. Als Trainerin sollte ich der Versuchung widerstehen, Kästchen vorzugaukeln, wo diese so simpel nicht existieren. Die Überschrift meines Artikels ist denn auch nicht zufällig gewählt. Denn es passiert leider häufig, dass Menschen die Auswertung von Persönlichkeitsprofilen als Vorwand nehmen, um mit Kollegen X oder Y nun wirklich nicht kooperieren zu können.

Richtig angewandt können Persönlichkeitsprofile jedoch genau das Gegenteil bewirken: Sie unterstützen, in der Team- und Führungskräfteentwicklung zu verstehen, wie das eigene Verhalten wirken kann, bzw. eine noch bessere Kooperation im Team möglich ist.

In den vergangenen zwei Jahren habe ich mit diesem Werkzeug sehr positive Erfahrungen in der Team- und Führungskräfteentwicklung gesammelt. Nach dieser Zeit revidiere ich meine ursprüngliche Skepsis gerne und berichte anhand von 5 Tipps, welches Potential sich aus meiner Sicht mit diesem Werkzeug ergeben, wenn man es „richtig“ anwendet.

1. Reflektieren Sie Ihre präferierten Verhaltensweisen – und nutzen die Profilergebnisse als hilfreiche Struktur

Persönlichkeitsprofile zur SelbstreflektionPersönlichkeitsprofile zur Selbstreflektion

Führungskräfte- und Teamentwicklung startet am besten bei uns selbst. Das heißt, uns unserer selbst bewusst zu sein. Was motiviert mich? Was triggert mich? Was sind meine Vorlieben in der Zusammenarbeit? Wann bin ich richtig gut, und was lähmt mich eher in meiner Motivation?

Hier können Persönlichkeitsprofile sehr gut unterstützen. Sie bieten uns eine Struktur, nach der wir vorgehen können, nicht mehr und nicht weniger. Vereinfacht gesagt, wie eine Leinwand, die bereits eine Skizze für uns bereit hält. Diese Skizze können wir aufgrund unserer eigenen Beobachtungen und Überlegungen hinterfragen, ausfüllen und anpassen. Auf jeden Fall ist es leichter, mit diesen Hilfslinien ein Bild von uns zu zeichnen, als wenn wir vor einer schneeweisen Leinwand stünden.

Es gibt zahlreiche Persönlichkeitsprofile, die für die Team- und Führungskräfteentwicklung genutzt werden können. Viele arbeiten mit Einteilungen in präferierte Verhaltensweisen oder -dimensionen, die zur Wiedererkennung in Buchstaben, Farben oder sogar Tiere eingeteilt sind. Welche Dimension für wen relevant sein könnten, kann durch einen Fragebogen näherungsweise herausgefunden werden. Häufig umfassen die Ergebnisse der Befragung eine Mischung aus zwei oder gar drei Profilen, was bereits ein Hinweis ist, dass unsere (innere) Welt immer mehrdimensional ist. Eine Kollegin fasste das einmal gut mit dem Satz: „Wir alle sind bunt😊.“ zusammen.

Es gibt wissenschaftliche Überlegungen, welche Profilesystematik die Realität am besten abzubilden vermag. Aus meiner Sicht wären diese Überlegungen relevant, wenn wir unsere „Selbsterkenntnis“ tatsächlich in FREMDE Hände geben wollten. Aber das ist aus meiner Sicht nicht das Ziel sein. Denn SIE selber sind ja der Experte für sich selbst, niemand anderes.

Ziel ist es vielmehr, durch die Reflektion unserer präferierten Verhaltensweisen zu einer höheren Selbstwirksamkeit zu kommen, sowohl für uns ganz persönlich, als auch in der Führungs- oder Teamarbeit. Und dafür das Persönlichkeitsprofil als hilfreiche Struktur zu nehmen. Denn wenn wir uns erst einmal bewusst gemacht haben, wo unsere Stärken – und vielleicht auch Schwächen – liegen, und wie wir mit diesen den Unternehmensalltag beeinflussen, geben wir uns die Möglichkeit bewusst hierauf Einfluss zu nehmen. 

2. Setzen Sie auf Ihre Stärken im Persönlichkeitsprofil….

Die eigenen Stärken erkennenDie eigenen Stärken erkennenAchten Sie einmal darauf: Sie erhalten Feedback- 5 positive Aspekte Ihrer Arbeit stehen einem negativen Punkt entgegen. Woran werden Sie sich wahrscheinlich besonders erinnern? Richtig! An den einen negativen Punkt. Neurowissenschaftlich wirken positive Aspekte wie Teflon auf unsere Erinnerung, die negativen dagegen hängen wie Kreppband an uns. Unser Gehirn erkennt diese als Gefahr, vor denen es uns vereinfacht gesagt schützen möchte. Daher fokussiert es zunächst auf diesen Aspekt. Dies ist ein sehr alter Mechanismus, der uns in der heutigen Arbeitswelt allerdings hindern kann, unser volles Potential zu heben. Nämlich immer dann, wenn wir zu viel Energie und Zeit darauf verwenden, uns über die kritischen Punkte zu grämen, anstatt diese zu verbessern, oder uns auf unsere Stärken zu besinnen.

Genauso ist es, wenn Sie die Ergebnisse Ihres Profil-Fragebogens erhalten. Vieles wird räsonieren, positive Aspekte liest man natürlich gerne – aber es gibt vielleicht auch die Entwicklungsdimensionen. Hier meine klare Empfehlung: Fragen Sie sich zunächst, welche Aspekte der Auswertung tatsächlich bei Ihnen räsonieren, welche Stärken sich hieraus ergeben. Wo können diese Stärken im Unternehmen wichtig sein? Überlegen Sie sich konkrete Situationen, bei denen diese Eigenschaften hilfreich waren. Denn für Ihre Selbstwirksamkeit ist das Erkennen (und Fühlen) Ihrer Stärken mindestens genauso wichtig, wie das Ihrer Wachstumsmöglichkeiten.

3. … und verlieren Sie mögliche Schwächen nicht aus den Augen.

Mit Sicherheit werden Sie Felder bei sich selbst entdecken, die nicht unbedingt das non plus Ultra für die Erfüllung Ihrer Aufgaben im Unternehmen, für die Führung Ihres Teams oder die Kooperation mit anderen sind. Vermutlich haben Sie diese schon geahnt, diese Gedanken aber gerne auch weggeschoben. Vielleicht mit dem Gedanken: „So bin ich halt, da kann man nichts machen.“ Es ist jedoch hilfreich, sich auch diese Punkte einmal zu vergegenwärtigen, ohne Gram oder inneren Vorwurf. Allein das bewusste Wissen um diese Aspekte wird schon etwas in Ihnen bewirken. Sie werden in Zukunft intensiver darauf achten. Wann bin ich in eine „Verhaltensfalle“ getappt, die der Situation vielleicht nicht zuträglich war. Diese nur wahrzunehmen erhöht Ihre Selbstwirksamkeit enorm. Denn die eigene Beobachtung ist sicher das wirksamste Mittel zur eigenen Weiterentwicklung – und nach Ihrer Reflektion wissen Sie noch besser, worauf Sie achten könnten. 

4. Diskutieren Sie wertschätzend die Diversivität im Team...

Perspektivwechsel in der TeamentwicklungPerspektivwechsel in der TeamentwicklungBesonders hilfreich an Persönlichkeitsprofilen ist die Relativierung unserer Selbst😊. Denn durch die verschiedensten Profile, die wir im Rahmen des Prozesses kennenlernen, werden wir offener für andere Blickwinkel. Denn, seien wir ehrlich: Zumeist sehen wir die Welt eher durch unsere eigene Brille. Wir bewerten das Verhalten anderer auf Basis unserer eigenen Erfahrungswelt. Abweichungen von „unserem präferierten Verhalten“ beäugen wir zumindest kritisch. Das ist übrigens eine wichtige Ursache für Konflikte in Teams.

Bei der Teamentwicklung anhand von Persönlichkeitsprofilen lernen wir dagegen, dass es viele Verhaltensweisen gibt, die zwar der unseren nicht entsprechen, aber dennoch ihre Berechtigung haben. Fast magische Momente gibt es, wenn die Teammitglieder sich entsprechend Ihrer Profile in einem Kreis aufstellen und erläutern, was sie aufgrund ihrer Präferenzen für eine gute Zusammenarbeit brauchen, und was sie hemmt. Das ist ein Moment des gegenseitigen Verstehens und der Wertschätzung, den man in den Alltag mitnehmen kann. Ein guter Schritt hin zu einem gegenseitigen Vertrauen, der Wertschätzung und der Anerkennung, dass es neben dem eigenen Weg auch viele andere Straßen gibt, die zu Ziel führen. Eine gute Basis, um liebevoll gehegte Konflikte oder Missverständnisse aufzulösen. 

5. ... und finden Sie die Vorteile verschiedenster Profile für die Teamarbeit heraus

Kollektive Intelligenz im TeamKollektive Intelligenz im TeamZudem stellt sich schnell heraus, dass unterschiedliche „Profile“ auch sehr unterschiedliche Vorteile mit sich bringen. Die Mitglieder im Team vergegenwärtigen sich, dass es keine guten oder schlechten Persönlichkeitsprofile gibt, sondern nur andere. Und das jede präferierte Verhaltensweise im Unternehmen positiv wirken kann. Häufig passiert es, dass die Aufgabeneinteilung im Team nach einer solchen Übung nochmal überdacht und gegeben falls angepasst wird, was sogar zu einer noch höheren Effizienz des Teams beitragen kann.  Diskutieren Sie die unterschiedlichsten Vorteile eines jeden Verhaltens, durchaus auch an konkreten Beispielen.

Ein Team, dass nur kreative Köpfe auf sich vereint, aber keine Umsetzer an Bord hat, wird ebenso wenig performen, wie Kollegen, die zwar ausschließlich perfekt und gewissenhaft die ihnen gestellten Aufgaben lösen, jedoch keinen Mut für das Denken außerhalb der Norm aufbringen. Die Mischung und gegenseitige Wertschätzung in der Unterschiedlichkeit unterstützt das Heben des kollektiven Wissens im Team und letztendlich den Teamerfolg. Das zu erkennen und wertzuschätzen ist das beste Ergebnis einer solchen Übung.